Wie sich mein heilerisches Selbstverständnis entwickelte

Vielleicht liegt es mit daran, dass ich damals (1986) als frisch gebackene Gesprächs-Psychotherapeutin (nach Carl Rogers, GwG) die Heilpraktikerprüfung gemacht habe und immer schon über das rein Physisch-Körperliche hinaus, umfassender und ganzheitlich-seelischer und seins-mäßiger, essenzieller auf den Menschen und sein Leiden, Kranksein und Leben geguckt habe und darauf, wie und unter welchen Bedingungen er geheilt werden und sich das Leben zu einem erfüllten, liebevollen und schöpferischen entfalten kann.
In meiner Therapieausbildung hatte ich gelernt und erfahren, dass die Beziehung zwischen Therapeut und Klient (ebenso die Beziehung zwischen HeilpraktikerIn und PatientIn) wichtiger ist für den Erfolg des Heil- und Wachstumsprozesses als die besonderen Methoden, die die verschiedenen Heil-Ansätze verwenden, ebenso dass diese Beziehung bedeutsamer ist als die jeweilige Therapierichtung.
Und ich hatte erfahren, dass es so etwas wie eine natürliche „organismische Selbstregulationstendenz" im Menschen gibt, die Selbst-Heilungskraft, die immer dann besonders schnell zum Zuge kommt, wenn ihr ein angemessenes Wachstumsumfeld zur Verfügung steht und dass dem Menschen ebenso eine natürliche Wachstumstendenz gegeben ist, der man wirklich zutiefst vertrauen kann.
In meiner körperorientierten Focusing-Ausbildung kam durch Eugene Gendlin und seine Forschungen hinzu, dass fast noch wesentlicher als die äußere Beziehung, die innere Beziehung des Klienten/Patienten zu sich selbst ist – ob er einen Zugang zu seinem Innern hat und wie dieser beschaffen ist.
Und ich erfuhr, dass es vor allem in uns etwas Ungeformtes, Vages, noch Unbekanntes und Unbenanntes, Unbewusstes, aber Fühl-Spürbares, Erfahrbares gibt, den Felt Sense, wie Gendlin es nannte, eine Art von tiefer Körperweisheit, aus der wir schöpfen und uns wandeln können und die uns im Leben und auch beim Heilen führen kann. Und dass man lernen kann, diese natürliche Fähigkeit und Führung wiederzuerlangen!
Dieses tiefste Innere, unser tiefstes Wesen, sehe ich heute als etwas Spirituelles an und vor allem als etwas, was weiser ist als unser rationaler Verstand und analysierender, bewertender Intellekt und aus dem Heilung, Schöpferkraft und Führung erfolgt, wenn man lernt und übt, sich damit bewusst zu verbinden!

Etwas in mir hat sich – nach der Lösung aus der kirchlich-konservativ geprägten katholischen Religion – wo sich vor allem mein „weibliches Ich“ nicht mehr wirklich zu Hause fühlen konnte – nach freieren Formen der Spiritualität und Rückgebundenheit ans „Ganze“, den „Urgrund“ gesehnt und dafür geöffnet. So begannen mich schamanische Traditionen, frühe Formen weiblicher Spiritualität, keltische Natur-Weisheit und später der Buddhismus, Advaita und der Taoismus zu interessieren.
Aber etwas in mir blieb ruhelos, trieb mich weiter, fühlte sich noch nicht „zu Hause“. Ich wurde im Laufe der Zeit sehr sensibel für die den traditionellen Religionen und auch der Schulmedizin immanenten Werte und Strukturen und sehnte mich nach einem heilen und spirituellen Leben jenseits von patriarchalen Strukturen und Werten, die mir überall so schmerzlich bewusst wurden und unter denen ich als (junge) Frau sehr litt. Mir wurde die „weibliche Wunde im Patriarchat“ sehr spür-fühlbar bewusst. Die wurde später auch in der Schulmedizin und sogar in Bereichen der Naturheilkunde und teilweise in der Alternativ-Medizin wieder angerührt!
Daraus folgte für mich die Notwendigkeit, nach einem dem Heilen und Wachsen gemäßen neuen, quasi „trans-patriarchalen“ Weltbild zu suchen, bei dem weibliche Werte und Qualitäten rehabilitiert werden, als gleichwertig begriffen oder da, wo es notwendig ist, auch mal die Vorrangstellung haben dürfen! So entstand die Idee der „weiblichkeits-orientierten Heilkunde“.
Dem „weiblichen Prinzip“ im Menschen, in Mann und Frau, und in der Welt, in der Heilkunde, in der Spiritualität wieder zu seinem notwendigen (!) und gebührenden (!) Platz zu verhelfen, wurde zum Hauptanliegen meiner theoretischen und praktischen Arbeit und ist das, was mir immer noch zutiefst am Herzen liegt und was ich in meinem neuen Schul-Zweig für Interessierte zum Ausdruck und zur Geltung bringen, weiter entwickeln und vermitteln möchte.

Dass mich immer schon die weiblich-spirituelle Dimension beim Heilen bewegt und fasziniert hat, mag vielleicht auch von einer Heilerfahrung als kleines zweijähriges Mädchen herrühren. Damals besuchte meine Mutter täglich im Anschluss an ihre Krankenhausbesuche die schwarze Madonna in der Kupfergasse in Köln und betete dort um Heilung für mich. Ich wurde wieder gesund. Vielleicht hat mich dieses mütterliche Vertrauen in die Schwarze Madonna, in dieses „weibliche Heilumfeld“, von dem mir später öfter erzählt wurde, unbewusst angetrieben, zu fragen, zu suchen und zu finden und dem „weiblichen Prinzip“, dem Großen YIN, wie ich es auch gerne nenne, in der Welt wieder zur Geltung zu verhelfen und diesem Roten Faden in meinem Leben treu zu bleiben.

Ich trete somit einerseits bewusst und gerne in die Fußstapfen der alten Heiler-Schamaninnen und möchte andererseits ihr Wissen und ihre Lebensweisheit erweitern um das, was wir heute über das Sein und Leben und Heilen, das Spirituelle und das Weibliche wissen und um das, was ich ganz persönlich in meinem Leben und Heilprozess erfahren durfte!
Dazu gehört für mich vor allem das Wissen und Heilen mit weiblichen Archetypen (symbolisiert in der „Schöpfer-Göttin“ oder „Mutter-Göttin“) und weiteren weiblichen Symbolen (Quelle, Höhle, das Gebären,…) und das Wissen um unsere innere Quelle, die Seele, das wahre Selbst oder wie immer man diesen unseren tiefsten göttlich-spirituellen Kern benennen will.